DOKU.ARTS
Zeughauskino Berlin
06.–23.10.2016

Ella Maillart – Double Journey 

Die 1903 geborene Ella Maillart erlangte zunächst als Olympiateilnehmerin Berühmtheit, die ihre Schweizer Heimat in den Disziplinen Hockey, Skifahren und Segeln repräsentierte. Ab den 1930er Jahren sowie ihre gesamte weitere Karriere hindurch war sie dann vor allem als Ethnografin bekannt, die ihre abenteuerlichen Reisen durch Asien filmisch dokumentierte und in Reiseberichten einer breiten Leserschaft zugänglich machte. 
 
Ella Maillart – Double Journey erzählt von einer in zweierlei Hinsicht doppelten Reise. Zum einen geht es um eine Expedition nach Indien am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, die in zwei Etappen unterteilt ist. Die erste führt von Europa nach Kafiristan, die zweite einige Monate später von Kabul nach Delhi und weiter nach Bombay, wo Maillart Vertreter der britischen herrschenden Klasse dokumentiert, die ihrem Alltag nachgehen, während sie sorgenvoll auf politische Neuigkeiten aus der Heimat warten.  
 
Zum anderen ist der Film auf diese Weise „doppelt“: Auf der ersten Etappe wird Maillart von ihrer Freundin, der Schweizer Schriftstellerin und Fotografin Annemarie Schwarzenbach begleitet, die eine starke eigenständige Persönlichkeit war. Die Frauen sind ein unkonventionelles Duo (Schwarzenbach war lesbisch), beide zutiefst unzufrieden mit ihrer bürgerlichen Herkunft und beide in höchstem Maße offen für alternative anthropologische Anschauungen.
 
Lewinsky Sträuli und Bigini greifen in ihrem Dokumentarfilm ausgiebig auf den wundervollen Farbfilm zurück, den Maillart von ihrer Reise erstellte. Die Aufnahmen werden ergänzt durch Auszüge aus ihren Tagebüchern, die von der französischen Schauspielerin Irène Jacob in Form von begleitenden Kommentaren gesprochen werden. So ist ein filmisches Dokument entstanden, das ein faszinierendes Kapitel der ethnografischen Forschung zu einer Zeit offenlegt, als die europäische Zivilisation tausende Kilometer entfernt auf den Abgrund zusteuerte.  

(mlf)

Mariann Lewinsky Sträuli

Mariann Lewinsky Sträuli ist eine in Zürich tätige freischaffende Filmhistorikerin. Kuratierte Serien: Views from the Ottoman Empire (2014), Emulsion Matters (2012), The Great Film Experiment 1900-1918 (2010), Il Cinema Ritrovato – Cento Anni fa (2004-2015). Stummfilmrestaurationen: Ma l’amor mio non muore! (Mario Caserini, I 1913), L’Homme au gants blancs (Albert Capellani, F 1908) sowie Werke von Ella Maillart, Renée Schwarzenbach-Wille und Willy Leuzinger. Archiv-Editionen auf DVD: Albert Capellani, Un cinema di grandeur 1905-1911 (2011), Comic Actresses and Suffragettes 1910-1914 (2010) und European Cinema from 1909(2009).

Antonio Bigini

Der 1980 geborene Antonio Bigini ist als Regisseur, Drehbuchautor und Kurator tätig. 2012 führte er Regie bei dem Episodenfilm Formato ridotto, der Bilder aus dem Nationalarchiv des Familienfilms von fünf verschiedenen italienischen Autoren gestalten lässt (Ermanno Cavazzoni, Wu Ming 2, Enrico Brizzi, Emidio Clementi und Ugo Cornia). Seit 2014 ist er als außerordentlicher Kurator an der Cineteca di Bologna tätig. Als Autor und Skripteditor arbeitet er regelmäßig mit diversen Produktionsfirmen zusammen (u. a. Kiné, Bologna; EiE Film, Turin; Peacock Film, Zürich). Zudem unterrichtet er Drehbuchgestaltung für Dokumentarfilme an der Bottega Finzioni, der von Carlo Lucarelli geleiteten Hochschule für kreatives Schreiben in Bologna. Seine veröffentlichten Schriften umfassen die Erzählsammlung Tonino Guerra wants to kill me (Pendragon, Bologna, 2007) sowie den in englischer Sprache erschienenen alternativen Reiseführer A Wrong Guide to Italy (Bucci Publishing, Zürich, 2013).