Desperate Souls, Dark City and the Legend of Midnight Cowboy

'Midnight Cowboy' aus dem Jahr 1969 war bekanntlich einer der ersten Mainstream-Filme in Hollywood, der Homosexualität ohne Scheu thematisierte: Der Protagonist des Films, Joe Buck (gespielt von Jon Voight), ist schließlich ein unbekümmerter Stricher, und der Film galt als nicht jugendfrei in Anbetracht einiger Szenen, die ihn beim Nachgehen seines illegalen Gewerbes zeigten und deren Kürzung der Regisseur, John Schlesinger (selbst homosexuell), entschieden ablehnte. Wie Nancy Buirskis fesselnder Dokumentarfilm feinfühlig darlegt, ist das eigentliche Thema des Films jedoch weniger rohes männliches Begehren als die Schönheit von Freundschaft: Joe und sein seltsamer, hinkender Gefährte Ratso (wundervoll gespielt von Dustin Hoffman), sind vielleicht ein Liebespaar, vielleicht aber auch nicht – tatsächlich höchstwahrscheinlich nicht. Wichtig ist aber, dass sie sich lieben und dass der Film diese Tatsache mit bewundernswert erwachsener Zärtlichkeit dramatisiert. Der Film ist also gewiss neben anderen Ansprüchen auf Berühmtheit auch ein humanistischer Klassiker. In der Tat haben nur wenige Filme einen so lebendigen Eindruck von dem turbulenten Jahrzehnt der 1960er Jahre hinterlassen. Eine Schar ausdrucksstarker Zeugen dieses Zeitgeistes bestätigen dies in Buirskis Film, darunter die Schauspieler selbst - Voigt, Hoffman, Ben Balaban, Brenda Vaccaro und Jennifer Salt (die Tochter des Drehbuchautors Waldo Salt, der 1951 auf Hollywoods schwarze Liste gesetzt wurde), aber auch so charmante Kulturkritiker wie Lucy Sante, J. Hoberman und John Schlesingers Neffe Ian Buruma. Buirskis Film ist ein Fest für Auge und Ohr. Ausschnitte aus dem Originalfilm, historisches Archivmaterial, New Yorker Straßenszenen und lebendig gefilmtes Interviewmaterial werden von Filmeditor Anthony Ripoli rhythmisch und souverän zusammengefügt.

Nancy Buirski

Nancy Buirski war Filmemacherin, Produzentin und Fotografin. Bis Mitte der 1990er Jahre arbeitete sie als Fotografin und Bildredakteurin für die New York Times. 1998 gründete sie in Zusammenarbeit mit dem Center for Documentary Studies der Duke University das Full Frame Documentary Film Festival und leitete es zehn Jahre lang. Ihr erster eigener Dokumentarfilm, "The Loving Story", erschien 2011. Ihr zweiter Dokumentarfilm, "Afternoon of a Faun: Tanaquil Le Clercq", folgte im Jahr 2013. 2015 erschien Buirskis Film "By Sidney Lumet", ein Porträt des amerikanischen Filmregisseurs Sidney Lumet und 2017 führte Buirski Regie bei "The Rape of Recy Taylor". Buirski war außerdem Special Advisor für Summer of Soul (2020) und sie schrieb, führte Regie und koproduzierte "A Crime on the Bayou" (2021). Darüberhinaus produzierte sie zahlreiche Kurzfilme und Dokumentarfilme in Spielfilmlänge wie "The Katrina Experience", "Time Piece" und "Althea", einen Film über die schwarze Tennisspielerin Althea Gibson.

In memoriam Nancy Buirski - im August 2023 überraschend verstorben.