La vie en kit (Life, Assembled)
Einer der genügsameren Zweige des Architektenberufs war schon immer die Suche nach Wegen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der gleichzeitig elegant, spielerisch und ästhetisch für Menschen ist, die am Anfang ihres Lebenswegs stehen. Infolge der Studentenunruhen, die im Mai 1968 ganz Europa bewegten, widmete sich einiges an utopischem Gedankengut dieser Frage. Elodie Degavre, die belgische Regisseurin von „Life, Assembled”, ist selbst Architektin. Wie es der Zufall will, ist der Architekt der Anlage, auf die Degvare bei Recherchen zufällig stieß, Jean Englebert, noch am Leben – und tatsächlich auch sehr lebendig. Was könnte interessanter sein, als sich mit ihm über diese Zeiten zu unterhalten? Ihrem Instinkt folgend, trifft sich Degavre mit weiteren ExpertInnen aus dieser Zeit: mit Paul Petit, dessen Spezialgebiet einfache Stahlkonstruktionen war und dem Ehepaar Lucien und Simone Kroll, Pioniere der so genannten „partizipativen“ Architektur, bei der die Auftraggeber (häufig Studenten) bei der Gestaltung fast ebenso viel Mitspracherecht hatten wie die Architekten selbst. Sie alle erweisen sich als hervorragende Gesprächspartner. Die Erinnerungen dieser eigenwilligen (und manchmal sogar anarchischen) Pioniere machen den größten Teil des Films aus, der durch lebendiges Archivmaterial bereichert wird, das die betreffenden Gebäude während des Baus und später, nach ihrer Fertigstellung und näher an unserer Zeit, zeigt. Trotz der Nutzung einfacher und preisgünstiger Materialien scheinen sie dem Zahn der Zeit standgehalten zu haben; sie haben Edelrost und eine gewisse traditionelle Schönheit erlangt. Unter alledem kommt der politische Optimismus, dem sie entsprungen sind, immer noch auf bewegende Art und Weise zum Vorschein.
Elodie Degavre
Elodie Degavre ist Architektin, Lehrerin, Fotografin, Autorin und Regisseurin. Seit 2006 unterrichtet sie in Architekturprojekten der Université libre de Bruxelles. 2018 leitete sie dort ein Forschungsprojekt zum Thema Wohnen. Seit mehr als dreizehn Jahren arbeitet sie als Architektin auf öffentlichen Baustellen im Auftrag mehrerer Brüsseler Büros, darunter V+ und a practice. Da sie sich zunehmend für das "Erzählen" von Architektur interessiert, arbeitet sie regelmäßig mit der belgischen Zeitschrift A+ Architecture für Ausstellungen und Artikel zusammen. Sie möchte ihre Tätigkeit als Architektin neu definieren, indem sie sie auf ein säkulares Publikum ausrichtet, und weitet ihre Aktivitäten nun auf das Schreiben von Drehbüchern aus. "Life, Assembled" (La vie en kit) ist ihr erster Dokumentarfilm.