DOKUARTS
Zeughauskino Berlin
4.-21. Oktober 2018

Witkin & Witkin

Die Welt ist voller Dinge, die wir nicht sehen, selbst wenn sie sich vor unseren Augen abspielen. Joel-Peter Witkin gibt ihnen in seinen surrealen, oft grotesken, manchmal verstörenden Fotoinszenierungen eine Sprache.

Die Welt ist auch voller Dinge, vor denen wir die Augen ganz bewusst verschließen. Der sozialpolitisch engagierte figurative Maler Jerome Witkin besteht mit seinen historisch aufgeladenen Bildern aufs Hinsehen.
Joel und Jerome sind eineiige Zwillinge, doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein; zumindest ist das die Behauptung der beiden Künstler, die den größten Teil ihres Lebens getrennter Wege gingen.

Obgleich Trisha Ziffs spannendes Portrait über das ungleiche Paar auch nahe Verwandte und Mitarbeiter befragt, gibt es vor allem den beiden Witkins viel Raum, ihre Geschichten zu erzählen. Dabei kehrt der Film immer wieder zu detaillierten Nahaufnahmen der beiden Gesichter zurück. Während Joel und Jerome von ihrer Verschiedenheit sprechen, sucht man als Zuschauer instinktiv nach ihrer Ähnlichkeit. Das Nebeneinanderstellen der oft gegenläufigen visuellen und verbalen „Erzählungen“ ist von Ziff geschickt eingesetzt. Dies macht ihr intimes Künstlerportrait auch zu einem klugen Film über das Sehen und die Wahrnehmung. Bei der Suche nach Ähnlichkeit wird man immer wieder auf Differenzen stoßen, angesichts der Differenzen von Ähnlichkeit überrascht sein.

Und doch möchte man am Ende behaupten, dass sich am Grunde der Arbeiten beider Künstler eine tiefempfundene Humanität ausmachen lässt. Diese macht die außergewöhnlichen Brüder ähnlich – aber noch lange nicht gleich.

(ab)

Trisha Ziff

Trisha Ziff ist Gründerin und Direktorin der Produktionsfirma 212BERLIN. Sie ist Dokumentarfilmerin und Kuratorin im Bereich Fotografie. Im Bereich der Bildenden Künste arbeitet sie bereits seit über 30 Jahren; sie leitete Kunst-Workshops in Fotografie und Film bei Camerawork im East End von London und bei
Camerawork Derry in Nordirland, bevor sie nach Los Angeles und später Mexiko City zog. Sie ist Guggenheim-Stipendiatin und erhielt eine Vielzahl von Preisen und Förderungen in den USA, England und in Mexiko. 2008 veröffentlichte sie ihr Debüt als Regisseurin auf Netflix, CHEVOLUTION - die Geschichte eines T-Shirts mit aufgedrucktem Bild von Che Guevara. 2011 war sie Produzentin und Regisseurin von The Mexican Suitcase, einem Film, der über 4500 Negative aus dem Spanischen Bürgerkrieg in Mexiko von einigen der größten Fotojournalisten des frühen zwanzigsten Jahrhunderts - Capa, Chim und Taro - betrachtet. Ihr Film The Man Who Saw Too Much (2015) brachte ihr den Mexikanischen Academy Award für Kunst und Wissenschaft ein.